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Unternehmensnachfolge: Herausforderung für den Mittelstand

Unternehmensnachfolge: Herausforderung für den Mittelstand

In Hessen brauchen in den nächsten fünf Jahren über 10.000 inhabergeführte Mittelständler einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Das sind 20 Prozent aller vergleichbaren Unternehmen. Viele Unternehmer stehen vor der Herausforderung, dass dies das Ende einer langen Familientradition bedeuten könnte. Das Top Magazin zeigt, wie die Unternehmensnachfolge trotzdem gelingen kann.

Eine aktuelle Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt, dass 28 Prozent der Senior-Chefs aufgrund eines scheiternden Generationswechsels sogar gezwungen sind, ihre Betriebe für immer zu schließen. Hochgerechnet stehen somit mehr als eine Viertelmillion Unternehmen vor dem Aus – ein erhebliches Risiko für die deutsche Wirtschaft und Tausende Arbeitsplätze.

„Die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland verschlechtern sich, Wir müssen umsteuern und den Schritt in die Selbstständigkeit wieder erleichtern.“ – Peter Adrian, DIHK-Präsident

Der Nachfolgereport 2024 der DIHK ist für Präsident Peter Adrian extrem alarmierend: „Die Rückmeldungen bereiten mir große Sorge“, kommentiert er. Die Situation sei ernst und von Ungewissheiten geprägt. „Die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland verschlechtern sich“, mahnt der studierte Volkswirt aus Trier. „Gegenüber der Vor-Coronazeit hat der Wunsch, einen Betrieb zu übernehmen, um 36 Prozent nachgelassen“, so Adrian. Das Know-how des deutschen Mittelstands sei bedroht. „Wir müssen umsteuern und den Schritt in die Selbstständigkeit wieder erleichtern“, fordert er.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bilden hierzulande rund 99 Prozent der Unternehmenslandschaft, beschäftigen 55 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und erwirtschaften 42 Prozent der Bruttowertschöpfung. Der Mittelstand ist also das viel zitierte „Rückgrat“ der deutschen Wirtschaft. Doch diese Stütze unserer Gesellschaft bietet zunehmend Anlass zur Sorge.

48 Prozent finden keinen geeigneten Nachfolger

Eine Nachfolgelösung innerhalb der Familie kommt mittlerweile nur noch für ein Drittel der Senior-Unternehmer in Betracht. Vor wenigen Jahren waren es noch über 40 Prozent. Rund die Hälfte kann sich alternativ die Übernahme aus dem Kreis der Mitarbeiterschaft vorstellen, ein sogenanntes Management Buyout. Doch inzwischen sehen rund 50 Prozent aller Unternehmer den Verkauf oder die Schließung ihres Unternehmens als einzige Möglichkeit, das oft über Generationen erarbeitete Vermögen zu sichern.

Das Lebenswerk loslassen

Nach eigenen Angaben finden 48 Prozent der Unternehmer keinen geeigneten Nachfolger. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass 41 Prozent sich nicht rechtzeitig um die Suche gekümmert haben und beinahe 30 Prozent ihr Lebenswerk emotional einfach nicht loslassen können. Ein Unternehmensverkauf scheitert häufig daran, dass 40 Prozent der Inhaber den Wert ihres Unternehmens überschätzen und einen zu hohen Kaufpreis fordern. Bei den Nachfolgeinteressierten können mehr als ein Drittel eine Kaufpreisfinanzierung nicht darstellen.

Unternehmensnachfolge: Kinder lehnen die Fußstapfen der Eltern ab

Nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen und strukturelle wirtschaftliche Herausforderungen erschweren die traditionelle Unternehmensnachfolge. Der demographische Wandel verschont auch die Unternehmen nicht. Immer mehr Inhaber erreichen das Ruhestandsalter, aber immer weniger junge Menschen stehen als potenzielle Nachfolger zur Verfügung.

DIHK-Präsident Peter Adrian sieht das Know-how des deutschen Mittelstandes bedroht (Foto: DIHK)
DIHK-Präsident Peter Adrian sieht das Know-how des deutschen Mittelstandes bedroht (Foto: DIHK)

Auch veränderte Einstellungen zu Leben und Arbeit sowie der Anspruch auf individuelle Selbstverwirklichung gehen an Unternehmerfamilien nicht vorbei. Die meisten Unternehmerkinder lehnen es ab, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Hinzu kommt, dass es sich als Angestellter ohne die unternehmerische Last der Verantwortung und des Risikos inzwischen sehr gut leben lässt. Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schrecken junge Menschen ab, sich die Last der Unternehmensführung auf die Schultern zu laden. Unsichere nationale sowie globale politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen überfordern sie häufig. Aus denselben Gründen wird es für Übernahmewillige auch immer schwieriger, Banken davon zu überzeugen, das Wagnis „Unternehmenskauf“ zu finanzieren.

Reflexion, Zeit, Transparenz, Kommunikation

Wie kann es dennoch gelingen, die Übergabe des eigenen Unternehmens erfolgreich zu gestalten? Die wichtigsten Faktoren sind Reflexion, Zeit, Transparenz und Kommunikation. Die deutschen IHKs raten den Senior-Unternehmern, eine geplante Übergabe frühzeitig anzugehen und transparent zu kommunizieren.

Reflexion bedeutet, sich der Endlichkeit des eigenen Seins zu stellen und sich frühzeitig auf das Loslassen des eigenen Lebenswerkes vorzubereiten. Ausreichend Zeit wird benötigt, um die eigenen Kinder oder Mitarbeiter hinsichtlich Eignung und Motivation zu prüfen und sie über mehrere Jahre in die komplexe Aufgabe einzuarbeiten. Eine transparente Kommunikation und ein stetiger Austausch auf Augenhöhe mit Familie und engsten Mitarbeitern gibt potenziellen Nachfolgern ausreichend Zeit, sich fachlich und persönlich auf die Aufgabe vorzubereiten.

Übergabe rechtzeitig planen

Das Familienunternehmen Rudolf Achenbach GmbH & Co. KG in Sulzbach im Taunus ist ein Beispiel, wie eine umsichtig geplante Unternehmensnachfolge gelingen kann. Der Übergang an die beiden Töchter der Familie wurde langfristig geplant und 2024 vollzogen. Die 1954 gegründete Delikatessen-Manufaktur bleibt in der Familie und wird jetzt in der dritten Generation weitergeführt.

„Das von unserem Großvater nach dem 2. Weltkrieg aufgebaute Unternehmen wurde von unseren Eltern ausgebaut“, erzählt Tochter Katrin Achenbach. Es ist eine typische deutsche Erfolgsgeschichte von Fleiß und Geschick.

Geglückte Unternehmensnachfolge: Sandra Moos-Achenbach, ihre Schwester Katrin und Schwager Hans-Peter Achenbach führen ihre Delikatessen-Manufaktur in dritter Generation (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Geglückte Unternehmensnachfolge: Sandra Moos-Achenbach, ihre Schwester Katrin und Schwager Hans-Peter Achenbach führen ihre Delikatessen-Manufaktur in dritter Generation (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Katrin hat das operative Geschäft von ihrer Mutter Petra übernommen. „Nach der Corona-Delle konnten wir die Zahl der Mitarbeiter von 60 auf 100 erhöhen“, berichtet die studierte Hotelfachbetriebswirtin zufrieden. Ihre Schwester Sandra ist als Diplom-Betriebswirtin für Controlling, IT und Administration verantwortlich.

„Wir haben sehr früh im Betrieb mitgearbeitet“, erzählen beide. „Den Führerschein verdienten wir uns in der Produktion.“ Die leitet seit 2018 Katrins Mann Hans-Peter, ein gelernter Koch. Die Talente der drei Geschäftsführer ergänzen sich gut. Dennoch war die Nachfolge kein Selbstläufer. Vor allem die Mutter habe schon sehr genau hingeschaut, ob das Trio den Anforderungen genügen kann.

Ein Prozess, der Nerven kostet

Das Produktportfolio ist vielfältig und reicht von Fingerfood, Vorspeisen-Komponenten über Suppen und Saucen bis zu Desserts und Energy-Balls. Die Lieferungen werden deutschlandweit verschickt und gehen auch ins europäische Ausland.

Wie die Nachfolge gestaltet werden soll, wurde in der Familie über einen langen Zeitraum intensiv diskutiert. Die Unternehmensübernahme mittels eines Kaufs wurde nach kluger Abwägung und Beratung durch Wirtschafts-, Rechts- und Steuerberater einer Schenkung vorgezogen. Das Finanzamt habe dann sämtliche eingereichten Unterlagen über mehrere Jahre geprüft und sei schließlich den vorgeschlagenen Weg der Unternehmensübertragung mitgegangen. Sandra: „Trotzdem kostet ein solcher Prozess mit zunächst ungewissem Ausgang ganz schön Nerven.“ Den Kaufpreis für die Übernahme konnten die Schwestern nicht mal eben so aus dem Ärmel schütteln. Sie haben den festgelegten Kaufbetrag über mehrere Jahre gestreckt, um die Finanzierung stemmen zu können.

„Unternehmer zu sein, ist kein 9-to-5-Job. Du musst dich schon richtig reinhängen. Davor scheuen viele zurück.“ – Katrin Achenbach, Achenbach Delikatessen-Manufaktur

Unternehmer zu sein, sei kein 9-to-5-Job, meint Katrin, Mutter von drei kleinen Kindern. „Du musst dich schon richtig reinhängen. Davor scheuen viele zurück.“ Schwester Sandra verweist zudem auf die Verantwortung für die Mitarbeiter und die Schwierigkeit, Fachkräfte zu bekommen. In der Produktion der Rudolf Achenbach GmbH & Co. KG sind Metzger, Bäcker, Konditoren, Köche und Produktionshelfer tätig. „Weil die Gewinnung von Fachkräften auch in Zukunft schwierig bleiben wird, sind wir sehr erfolgreich neue Wege über Social Media gegangen“, stellt Produktionschef Hans-Peter Achenbach fest. Die Förderung von Nachwuchskräften ist dem Unternehmen wichtig. Der 1975 gestiftete Rudolf Achenbach Preis für Nachwuchsköche genießt in der Branche hohes Ansehen. Auch Starkoch Tim Mälzer hat ihn am Anfang seiner Karriere einmal gewonnen.

Unbeirrt gehen die Achenbachs ihren Weg. Das Traditionsunternehmen hat sich selbst durch Corona nicht aus der Bahn werfen lassen. Doch der Schock war anfangs groß. „Zu Beginn der Pandemie fiel der Umsatz ins Bodenlose. Doch nach deren Ende erholte sich unser Geschäft, auch weil wir sehr flexibel und kurzfristig auf individuelle Wünsche reagieren können“, erklärt Katrin Achenbach. „2024 war ein sehr gutes Jahr. Der Anfang von 2025 ist noch verhalten. So ist das eben in unserer Branche. Damit muss man umgehen können.“

Hessischer Nachfolgepreis für gelungenen Generationswechsel

Für den gelungenen Wechsel an die nächste Generation trotz aller Widrigkeiten erhielten Katrin Achenbach und Sandra Moos-Achenbach im vergangenen Herbst den erstmals verliehenen Hessischen Nachfolgepreis. Auch ein zweites Unternehmen aus dem Rhein-Main-Gebiet bekam diese Auszeichnung: die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Heim Honermeier aus Frankfurt-Sachsenhausen. Dort ist es gelungen, fünf Juniorpartner über Jahre aufzubauen, die inzwischen die Kanzlei als Partner übernommen haben. Der Preis soll potenzielle Nachfolger ermutigen und motivieren, den nächsten Schritt zu tun. Denn dass Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern treten, ist heute längst kein Automatismus mehr. Aber immer noch die verbreitetste Variante.

„Die demografische Entwicklung bei den Inhaberinnen und Inhabern im Mittelstand schreitet noch schneller voran als in der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Es zeichnen sich massive Lücken in den Führungsetagen mittelständischer Unternehmen ab.“ – Dr. Michael Schwartz, KfW

Jedes vierte Unternehmen will aufgeben

Die Förderbank KfW bestätigt in ihrem aktuellen Nachfolgemonitoring die Verschärfung der Lage für kleine und mittlere Unternehmen. „Die demografische Entwicklung bei den Inhaberinnen und Inhabern im Mittelstand schreitet noch schneller voran als in der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Es zeichnen sich massive Lücken in den Führungsetagen mittelständischer Unternehmen ab“, sagt Dr. Michael Schwartz, Mittelstandsexperte bei KfW Research. „Die Senior-Generation in den Führungsetagen des Mittelstands verbleibt immer länger im Unternehmen“, lautet der Kernsatz der Untersuchung. Zu wenige stünden für eine Ablösung bereit. Die nicht geklärte Nachfolge führe schon mal dazu, notwendige Investitionen zu verschieben. Das vermindere die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die Attraktivität für potenzielle Käufer.

51 Prozent wünschen sich eine Familiennachfolge

Laut der aktuellen KfW-Studie haben von den 215.000 Unternehmern, die sich eine Übernahme bis Ende des Jahres wünschen, 43.000 fast keine Aussichten, noch einen Abnehmer zu finden. Immer seltener laufen die Entscheidungen auf eine Fortführung des Unternehmens hinaus. Grundsätzlich spielen schon 920.000 Unternehmer mit dem Gedanken aufzugeben. 51 Prozent derjenigen, die aufhören möchten, wollen ihren Betrieb an ein Familienmitglied abgeben. Die Nachfolge durch Beschäftigte des eigenen Unternehmens wird von 30 Prozent der Altinhaber in Betracht gezogen. Nur 11 Prozent können sich eine Nachfolge durch Miteigentümer des Unternehmens vorstellen. 41 Prozent suchen einen externen Käufer.

Die KfW-Zentrale an der Bockenheimer Warte (Foto: Wikipedia)
Die KfW-Zentrale an der Bockenheimer Warte (Foto: Wikipedia)

Für Investoren hat ein solcher Einstieg den Vorteil, dass sie auf ein bewährtes Geschäftsmodell zurückgreifen können. „Inklusive Kundenstamm, Lieferanten, Auftragsbestand, Mitarbeiter und Know-how“, wie die KfW feststellt. In der Regel seien die Unternehmen, die eine Nachfolge suchten, finanziell recht robust und mit ausreichendem Eigenkapital ausgestattet. Ein Unternehmensverkauf an Investoren ist für viele als Nachfolgeregelung schwer vorstellbar.

Gut zu wissen: Beim Generationswechsel stehen die örtlichen IHKs mit auf das Thema Nachfolge und Vermögenserhalt spezialisierten Family-Offices mit Rat und Tat zur Seite. Auch ein Gespräch mit der eigenen Hausbank kann helfen, rechtzeitig die Weichen zu stellen.

Hilfe bei der Suche nach einem passenden Nachfolger

Genau hier setzt die Unternehmensnachfolge-Börse nexxt-change.org an. Initiiert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, der KfW Bankengruppe, der DIHK und weiteren Partnern, vernetzt sie Unternehmer, die einen Nachfolger suchen, mit Existenzgründern, die ein Unternehmen übernehmen möchten. Die Plattform bietet Checklisten, Übersichten und Online-Tools rund um das Thema Nachfolge. Außerdem können Kaufgesuche und zu verkaufende Unternehmen, ähnlich wie bei der Wohnungssuche, direkt eingesehen werden.

Doch nicht nur online gibt es Unterstützung: Auch die regionalen IHKs stehen mit Rat und Tat zur Seite. Mit Nachfolger-Clubs, Nachfolgepools oder wie die IHK Frankfurt mit dem Sprechtag Unternehmensnachfolge helfen Experten dabei, typische Stolperfallen zu vermeiden und den Übergang erfolgreich zu gestalten.

Der Countdown zur gelungenen Unternehmensnachfolge

Eine erfolgreiche Übergabe will frühzeitig geplant sein. Wer zu lange wartet, riskiert Komplikationen – oder im schlimmsten Fall das Scheitern. Diese vier Schritte helfen, den Prozess rechtzeitig in die richtigen Bahnen zu lenken:

Frühzeitige Planung Schon drei bis zehn Jahre vor der Übergabe sollte der Unternehmer sein Unternehmen fit für die Zukunft machen: Sind Angebot und Produktion wettbewerbsfähig? Stimmen Margen und Unternehmensorganisation? Sind Investitionen nötig?

Den richtigen Nachfolger finden Spätestens drei Jahre vor der Übergabe aktiv mit der Suche beginnen.

Reibungslose Übergabe vorbereiten Zwölf Monate vorher die Übergabe konkret in die Wege leiten.

Interessen ausbalancieren Nach der Übergabe müssen die Erwartungen von Inhaber, Familie, Nachfolger und Unternehmen in Einklang gebracht werden. Die Weichen dafür werden lange vorher gestellt.

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