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Annabelle von Oeynhausen empfiehlt im August: Alkoholfreies aus Berlin, Kunstvolles in Chemnitz

Annabelle von Oeynhausen empfiehlt im August: Alkoholfreies aus Berlin, Kunstvolles in Chemnitz

Sonnentage auf der griechischen Insel Hydra, Mocktail-Stunden in Berlin, Ausstellungen in Chemnitz: Was Sie im August erleben müssen, erzählt Ihnen unsere Kolumnistin.

Links Annabelle von Oeynhausen im Château Royal Berlin, rechts Henrike Naumanns „Bergarbeiterkneipe“ in Chemnitz.Charlotte Hansel

Kunst, Kultur und Kulinarik – damit kennt sich Annabelle von Oeynhausen bestens aus. Nicht nur in ihrer Wahlheimat Berlin, auch in zahlreichen anderen Städten dieser Welt fahndet sie nach den besten Adressen: Die Kunsthistorikerin und Unternehmerin organisiert mit ihrer Agentur Annabelle’s Choice exklusive Kunstreisen – und plant auch für Sie in dieser neuen Kolumne jeden Monat vor.

Wenn Ihnen das noch nicht reicht, können Sie sich per Nachricht an den Instagram-Account @annabelles_choice übrigens auch für ihren Newsletter anmelden, über den die Autorin noch mehr Tipps teilt.

1. Nach Hydra reisen: Sehen, aber nicht gesehen werden

Es gibt Orte, an denen die Zeit zwar nicht stehen bleibt, aber einfach anders läuft. Für mich ist so ein Ort: Keine Autos, kein Verkehrslärm, keine Hektik. Nur Maultiere und das rhythmische Klacken ihrer Hufe auf warmem Stein. Wer vom Boot aus auf die Insel steigt, wird sofort langsamer, konzentrierter. Und, fast unmerklich, ein wenig stilbewusster. Hydra ist eine Bühne, das sieht man schon, wenn man vom Meer kommt: das Dorf schmiegt sich wie ein antikes Amphitheater an die hochaufragenden Berge.

Am Hafen empfängt die Besucherinnen und Besucher seit 2022 ein neues Wahrzeichen: „Apollo Windspinner“ von Jeff Koons, eine rotierende, goldene Sonnenskulptur, installiert auf dem Dach des ehemaligen Schlachthofs – monumental und gleichzeitig verspielt bewegt sie sich im Wind, reflektiert das Licht und scheint zu atmen. Eine mythische Figur in Bewegung, irgendwo zwischen antikem Sonnenkult und High-Tech-Ornament.

Der Hafen von Hydra, dahinter das Dorf, das sich wie ein Amphitheater an die Berge schmiegt.
Der Hafen von Hydra, dahinter das Dorf, das sich wie ein Amphitheater an die Berge schmiegt.Angelos Tzortzinis/dpa

Im ehemaligen Schlachthaus selbst, heute der DESTE Project Space, zeigt Andra Ursuţa in diesem Jahr ihre zarten Skulpturen, die fast flüchtig wirken, als wären sie aus Licht geformt. Der Ort tut das Übrige: rau, steinern, über dem Meer schwebend, eine Ruine mit Vision.

Hoch über dem Hafen liegt mein heimlicher Lieblingsort: das alte Gymnasium, heute Heimat der Hydra School Projects. Jeden Sommer kuratiert Dimitrios Antonitsis dort eine Ausstellung und begrüßt die Gäste mit einer Mischung aus Überschwang, Charme und Intellekt, die alles andere als zurückhaltend und doch nie zu viel ist. Die Klassenzimmer atmen noch Kreide und Prüfungsstress, die Werke – Skulpturen, Stoffe, Zeichnungen – treten in einen Dialog mit diesem Ort. 2025 verbindet eine poetisch-majestätische Installation im Hof alles zu einem stillen Ganzen.

Zwischendurch bietet sich natürlich immer ein Sprung ins Meer an, etwa bei Spilia: Der Felsen ist warm, das Wasser klar, der Moment vollkommen. Oder ich mache einen Spaziergang nach Kamini und weiter nach Vlychos, zwei Strände wie aus einem Gedicht. Wer mehr Meer will, nimmt das Boot nach Poros oder Ägina, am besten am Vormittag, so dass die Rückfahrt im Licht des späten Nachmittags genossen werden kann.

Wer statt schwimmen lieber shoppen will, kann das etwa im Geschäft von Elena Votsi tun. Die Designerin der Olympiamedaillen von Athen 2004 wurde auf Hydra geboren, bietet Schmuckstücke an, die kraftvoll aber tragbar sind. Auch bei Kashish schaue ich immer gern vorbei, einem kleinen Concept Store mit Mode, Textilien und Objekten, alles handverlesen. Oder ich genieße einen Moment in der stillen, kühlen Kirche mitten im Ort, zünde eine Kerze an, für jemand anderen oder für mich.

Mein Tipp für eine Unterkunft: Wer nicht zufällig ein ganzes Haus gemietet hat – und das tun auf Hydra viele –, ist zum Beispiel im Bratsera Boutique Hotel bestens aufgehoben. Die ehemalige Schwammfabrik wurde in ein Refugium verwandelt, mit grob behauenen Steinwänden, die einen schattigen Innenhof umschließen, dazu ein Pool unter alten Bäumen. Ein Ort für spätes Frühstück, ausgedehnte Mittagsruhe, späte Lesestunden.

Koons’Skulptur changiert zwischen Sonnenkult und High-Tech.
Koons’Skulptur changiert zwischen Sonnenkult und High-Tech.Johannes Richter für Begehungen e.V.

Zum Dinner zieht es mich meist ins Il Casta, eine italienisch inspirierte Adresse in einer stillen Gasse. Es gibt handgemachte Pasta, das Interieur ist reduziert, der Service freundlich aber zurückhaltende. Und danach darf es für mich gern noch ein Glas Rosé im Omilos sein. Früher saßen hier Jackie O. und Leonard Cohen, heute schaue ich dort gern aufs Wasser, erkenne vielleicht ein Boot in der Ferne und fragt mich, wer wohl gerade ankommt.

Namen werden auf Hydra nicht genannt, doch sie waren alle da Henry Miller, Sophia Loren, Maria Callas, Schauspielerinnen und Designer, Musikerinnen und Künstler. Hydra ist diskret, wer gesehen werden will, reist woanders hin.

DESTE Project Space im Slaughterhouse Hydra. Epar.Od. Mandrakiou-Molou, Idra 180 40. Mi-Mo 11-13 Uhr und 19-22 Uhr. www.deste.gr

Hydra School Projects. Old Sachtourio School, 18040 Hydra. Mo-So 11.30-14 Uhr und 19.30-22 Uhr. www.instagram.com/hydraschoolprojects

Elena Votsi. Ikonomou, Idra 180 40. Mo-So 10-16 Uhr und 18-22 Uhr. www.elenavotsi.gr

Kashish. Tompazi 8, Idra 180 40. Mo-So 10-22 Uhr. www.kashish.gr

Bratsera Boutique Hotel. Tompazi 2, Idra 180 40. www.bratserahotel.com

Il Casta. Tompazi, Idra 180 40. Mo-So 18.30-23.15 Uhr. www.instagram.com/il_casta_hydra

Omilos Restaurant Bar. Epar.Od. Mandrakiou-Molou, Idra 180 40. Mo-So 12-0 Uhr. www.omiloshydra.com

2. Beim Hamburger Bahnhof tanzen: ohne jede Anstrengung

Wer den August hindurch in Berlin bleibt, kann wenigstens den Geist auf Kurzurlaub schicken. Am Hamburger Bahnhof zum Beispiel: Wenn zwischen Museumsfassade und Sommerhimmel der Bass vibriert, ist wieder „Berlin Beats“. Noch bis Anfang September lädt der Hamburger Bahnhof jeden Donnerstagabend in seinen Garten, mit DJs, Drinks und der wohl schönsten Verbindung aus Kunst und Clubkultur.

DJs, Drinks und Kunst –gibt es immer donnerstags ab 19 Uhr vor dem Hamburger Bahnhof.
DJs, Drinks und Kunst –gibt es immer donnerstags ab 19 Uhr vor dem Hamburger Bahnhof.Alex Rentsch

Die Stimmung? Unangestrengt, Sonnenstühle im Gras, Menschen aller Generationen. Und wer früher kommt, sollte sich gleich noch Delcy Morelos’ raumgreifende Installation „Madre“ anschauen – eine sinnliche, duftende Erdlandschaft, die vom Verhältnis zwischen Mensch und Natur erzählt. Eine leise, eindringliche Einstimmung, bevor draußen der Rhythmus übernimmt.

Übrigens: Am 7. August spielt Sarah Farina, zukunftsgewandt und voller Bassliebe. Danach folgen Ogazón am 14., eine der spannendsten Neuentdeckungen der Berliner Szene, am 21. bringt S-candalo queer-feministische Energie in den Innehof, am 28. August spielt der Clubstar Nick Höppner, zum Finale am 4. September Freddy K – kompromissloser Techno für eine Stadt, die weiß, was sie will.

Berlin Beats. Bis 4. September jeden Donnerstag ab 19 Uhr am Hamburger Bahnhof. Invalidenstraße 50, 10557 Berlin. Mehr Infos unter www.smb.museum

3. Kunst im Freibad entdecken: Parasitärer Sommerspaß

In Berlin lässt sich dieser Tage übrigens auch Kunst betrachten, die sozusagen baden geht – mit voller Absicht: Die Ausstellung „PARASITE“ im Tropez, dem temporären Kunstraum im Berliner Freibad Humboldthain, bringt Bewegung in den Sommeralltag. Zwischen Sonnencreme und Schwimmflügeln fordern Skulpturen und Installationen heraus, stören, überraschen – und laden ein, den Blick zu schärfen.

„Glitter Tubes (Waterproof)“, Maya Mans, 2025
„Glitter Tubes (Waterproof)“, Maya Mans, 2025Parasite

Nach dem französischen Philosophen Michel Serres ist der Parasit kein Schädling, sondern ein kreativer Impuls: Er bringt Unordnung und eröffnet neue Möglichkeiten. In diesem Sinne feiert „PARASITE“ das Unangepasste. Auch das Tropez selbst ist quasi ein Parasit; ein Kunstort dort, wo man ihn nicht erwartet.

Die Künstler Haseeb Ahmed, Amine Habki, Melike Kara, Tilhenn Klapper, Maya Man, Rosanna Marie Pondorf, Sundays und T Vinoja greifen direkt ins Geschehen ein: Am Eingang rätselhafte Spinde, auf dem Bademeisterturm ein Schwimmring-Berg. Eine Windskulptur malt Bewegung in den Himmel, die Kioskfenster tragen Stoff, die neue Bank sieht aus wie ein Objekt. In einer Platane nisten klingende Fledermäuse. Auf der Wiese steht ein Serverrack, auf der Terrasse liegt eine Minigolfanlage. Das Freibad wird zur Bühne, zur Installation, zur Denkfläche.

„Parasites“ im Tropez. Bis 7. September im Sommerbad Humboldthain. Wiesenstraße 1, 13357 Berlin. Mo-So 8-19 Uhr. www.tropeztropez.de

4. Mit Dr. Jaglas auf Alkohol verzichten: Spritz ist, was du draus machst

Apropos Partystimmung: Es gab mal eine Zeit, da gehörte für mich zum Sommer automatisch ein Spritz in der Hand. Inzwischen ist das anders. Nicht, weil ich plötzlich alles richtig machen will – ich habe nur gemerkt, dass es auch ohne Alkohol ziemlich gut schmecken kann. Mein aktueller Lieblingsdrink? San Pompello von Dr. Jaglas, eine Variation aus pinker Grapefruit, Zitrus und einem Hauch Rosmarin, serviert auf Eis, aufgegossen mit Tonic oder Soda. Kein Tequila, kein Rausch, aber genauso viel Charakter wie eine gute Paloma. Vielleicht sogar mehr.

San Pompello veredelt Tonic und Spritz herbe und elegant.
San Pompello veredelt Tonic und Spritz herbe und elegant.Dr. Jaglas

Dr. Jaglas ist eine Berliner Marke mit Apothekenhintergrund, was erstmal streng klingt. Was da allerdings in der Flasche steckt, ist ziemlich lässig: Elixiere aus Kräutern, Blüten und Früchten, statt Zuckerbomben oder bloßen Fruchtsäften setzt Gründerin Christina Jagla auf Mazerate aus regionalen Pflanzen in Arzneibuchqualität. Handverlesene Bitterorange, Galgantwurzel, Zitronenmelisse, Hibiskusblüte – kalt extrahiert, ungesüßt, ohne künstliche Zusätze.

Das Ergebnis: alkoholfreie Elixiere mit klarer Struktur, bitterer Tiefe und einer herben Eleganz, die jedes Tonic und jeden Spritz veredeln. Neben San Pompello gibt’s auch San Limello, der zitronig und leicht bitter schmeckt, oder Herber Hibiskus. Ich aber bleibe beim Pompello, der passt einfach zu allem: Sonnenuntergang auf dem Balkon, Pasta in der Pfanne, Gespräche, die länger dauern als geplant. Die Flaschen gibt’s nicht nur online, ich kaufe sie in Berlin etwa bei Vinos, Dussmann oder im Frischeparadies. Praktisch, wenn man spontan Nachschub braucht – was öfter vorkommt als gedacht.

San Pompello von Dr. Jaglas. Eine Halbliterflasche kostet 22,95 Euro. www.dr-jaglas.de

5. Noch einmal Chemnitz besuchen: Kunst im Zeichen des Klimawandels

Zum Schluss noch ein Ausflugstipp, wieder nach Chemnitz: Wo früher Braunkohle verbrannt wurde, lodert heute der Zeitgeist – das stillgelegte Heizkraftwerk Chemnitz-Nord ist bis zum 17. August Schauplatz des Kunstfestivals „Begehungen“. Unter dem Motto Everything is Interaction“ zeigen 32 internationale Künstlerinnen und Künstler Arbeiten zur Klimakrise, zum Artensterben und zu den sozialen Folgen von Umweltzerstörung. Vieles entsteht eigens für diesen Ort, darunter Installationen, Video- und Soundkunst, sinnlich, politisch – und mit Haltung.

„Sieben Farben für einen Schornstein“, Daniel Buren, 2025
„Sieben Farben für einen Schornstein“, Daniel Buren, 2025Johannes Richter für Begehungen e.V.

Was 2003 als Off-Projekt begann, ist heute Teil der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025, mit Größen wie Hito Steyerl, Gregor Schneider oder Olaf Nicolai und spannenden Talenten unter 30. Der Ort wird zur Bühne, die Werke sind in den Turbinenhallen zu sehen, zwischen Rost und Beton. Und über allem: ein Schornstein in Regenbogenfarben. Das Werk „Sieben Farben für einen Schornstein“ von Daniel Buren ist weithin sichtbar und längst zum Symbol des Aufbruchs geworden.

Mein Tipp: Freitag mit dem Zug anreisen, einchecken im Hotel an der Oper, abends erste Eindrücke sammeln. Samstag dann Zeit für Kunst, Austausch, Perspektivwechsel, mit einer Mittagspause in der Markthalle, abends stilvoll im Alexxanders. Und am Sonntag lohnt sich dann ein Besuch im Museum Gunzenhauser: Die Ausstellung „European Realities“ zeigt aktuell den Realismus der 1920er und 1930er – Werke, die zwischen Alltag und Abgrund pendeln, mit scharfem Blick auf Gesellschaft, Politik und Körperbilder.

Und unbedingt zu #3000Garagen, eines der fünf Flaggschiff-Projekte des Kulturhauptstadtjahres! Chemnitz erzählt hier Stadtgeschichte über Garagen – gebaut zu DDR-Zeiten in Eigenregie, heute kreative Orte und Archive des Alltags. Zwischen Werkbänken, Kunstaktionen und Interviews wird sichtbar, was Gemeinschaft damals wie heute bedeuten kann. Zentrum des Projekts ist der neue Garagen-Campus – wo Vergangenheit noch voller Leben ist.

Kunstfestival Begehungen. Bis 17. August im Heizkraftwerk Chemnitz-Nord. Mehr Infos unter www.begehungen-festival.de

Hotel an der Oper. Straße der Nationen 56, 09111 Chemnitz. www.hoteloper-chemnitz.de

Markthalle Chemnitz. An der Markthalle, 09111 Chemnitz.

Alexxanders Restaurant. Ludwig-Kirsch-Straße 9, 09130 Chemnitz. Mo-Sa 7-12 Uhr und 17-20 Uhr. www.alexxanders.de

Berliner-zeitung

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